Sinnfindungsstörungen

Achherrje, jetzt hat sie auch noch (beinahe) „Fressefreiheit“ gesagt. Annalena Baerbock verspricht sich, und halb Twitter-Deutschland erliegt mal wieder dem kollektiven Häme- und Empörungstaumel. Muss man sich über den Versprecher wirklich so wundern? Ich meine: Erste wichtige Russland-Reise – „du meine F…!“. Da begegnet einem vermutlich der eine oder die andere, die genauso eine F… zieht, und auf selbige fliegen könnte man schlimmstenfalls auch. Und schwupps, es vermengen sich die Gedanken, und die Zunge formt, was sie freilich nicht sollte. 

Von „Wortfindungsstörungen“ der Annalena B. war nun zu lesen. Und dass man sie aber doch an den Inhalten messen müsse. Ja, was denn sonst bitte schön?

Persönlich finde ich „Wortfindungsstörungen“ sehr sympathisch und merke sie an mir ständig. Die meisten meiner verbalen Vertuer schreibe ich sogar auf. Wer weiß denn schon, ob es nicht vielleicht irgendwann einmal anerkannte Wörter werden. Dann kann ich sagen: Haha! Habe ich doch gewusst, das ist ein tolles Wort!

Viel schlimmer als „Wortfindungsstörungen“ sind die „Sinnfindungsstörungen“, die ich in meinem Beruf dann und wann erlebe: Es sagt jemand etwas und stellt später fest, dass das keinen Sinn ergibt oder nicht hätte gesagt werden dürfen, es jedenfalls keineswegs so gemeint gewesen sein sollte und deshalb nun ganz neu formuliert werden muss. 

Mmh.

Uns allen kommen natürlich ab und an Sätze über die Lippen, die wir nicht so meinen. Dann entschuldigen wir uns später oder stellen die Sache kurz richtig. Für Politiker und Konzernbosse kann das trotzdem übel ausgehen. Im Privaten ist das (meistens) kein Problem. Im Umgang mit den Medien manchmal aber schon. Denn wer mit Journalisten spricht, sollte sich bestenfalls vorher überlegen, was er sagen möchte – und nachher zum Gesagten auch stehen. Wer das nicht will, sollte entweder vorab deutlich machen, dass das, was er sagt, nicht gedruckt oder gesendet werden darf. Oder eben nichts sagen.

Äußerst unglücklich ist es jedenfalls, Journalisten zuerst bereitwillig Auskunft zu geben, es sich aber dann anders zu überlegen, wenn das Zitat oder das Interview zur Abstimmung kommt. „Habe ich so nicht gemeint“ – okay, ein Missverständnis lässt sich im Zweifel klarstellen. „Habe ich so nie gesagt“ – gut, vielleicht hat der Journalist es tatsächlich nicht ganz richtig oder verkürzt notiert, dann muss man sprechen. „Das ist gar nicht meine Sprache, so würde ich ja nie reden!“ – schwierig, wenn die Journalistin ein Band hat mitlaufen lassen. 

Natürlich lassen sich gegenüber den Medien Versprecher, Ver-Sager im eigentlichen Sinne oder inhaltliche Vertuer korrigieren. Journalisten haben in den allermeisten Fällen selbst kein Interesse, ihre Zitatgeber schlecht aussehen zu lassen. Eben darum schicken sie Zitate und vor allem Wortlautinterviews zur Autorisierung. Unglückliche Sätze zu glätten, offensichtlich Unrichtiges richtig zu stellen, im Zweifel etwas zu streichen, wenn sich dies sachlich begründen lässt – selten ein Problem. Aber ganze Sätze oder gar ganze Beiträge um- oder neu schreiben und damit den Sinn im Nachhinein zu verändern, das geht in der Regel nicht. Das ist nicht der Sinn einer Autorisierung.

Eine meiner liebsten Wortfindungsstörungen lautet übrigens „Tuscherkatrone“. Sie wissen schon, diese Dinger, die man austauschen muss, wenn der, na, der Dings piept und kein Papier mehr einzieht … 

Silke Haars Kommunikation

Public Relations for the Legal Profession

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